Viel Grün hilf viel!
Wenn man einmal die Gelegenheit hat, von einem hohen Turm aus auf unseren Bezirk zu schauen, sieht man eigentlich nur grün! Meist Linde, Ahorn, Eiche, Kastanie und Platane. Im Sommer ragen überall mächtige Baumkronen in den Himmel und verdecken wirkungsvoll die ansonsten dichte Bebauung. Wir haben breite Frischluftschneisen wie den Teltowkanal, die Bahntrasse, die Königsberger- oder die Kaiser-Wilhelm-Straße, die die Luftzirkulation begünstigen, wir haben aber auch vollständig versiegelte Flächen wie den Kranoldplatz oder die vielen großflächigen Parkplätze der Discounter.
Wie geht es uns eigentlich damit und den Tieren, Bäumen und der belebten Natur im Kiez? Erhalten wir uns die Qualität oder setzen wir alles aufs Spiel, weil wir zu sorglos sind und wie können wir uns auf die Veränderung des Klimas einstellen?
Was halten die Bäume aus
Die letzten beiden Jahre brachten uns mit Sturmtief Xavier im Herbst 2017 und mit der langanhaltenden Dürre 2018 zwei Extreme, die uns eindrücklich die Verwundbarkeit der uns unmittelbar umgebenden Natur zeigen: abgerissene Äste, entwurzelte Bäume, Starkregen und dann wieder lange Trockenperioden. Selbst ausgewachsenen Bäumen machte der Wassermangel und die Hitze zu schaffen. Platanen warfen großflächig ihre Rinde ab, die von der Miniermotte geschädigten Kastanien verloren noch früher ihre Blätter und zahlreiche Jungbäume vertrockneten. Neben den Klimafolgen gibt es aber auch schädliche Einwirkungen, die sich vermeiden lassen: zum Beispiel der Gebrauch von Streusalz (auch auf privatem Grundstück), Wurzel- und Stammbeschädigungen durch parkende Autos oder Bauarbeiten, Feinstaub, Hundekot und Urin. Der Fachmann erkennt durch Faulstellen am Stamm, Pilzbefall oder Veränderungen in der Krone, ob und wie stark ein Baum geschädigt ist, und ob er aus Sicherheitsgründen gefällt werden muss. In heimischen Baumschulen wird kontinuierlich an Züchtungen widerstandsfähiger, hitze- und trockenstresstoleranter Straßenbäume gearbeitet, die sowohl dem Klima als auch den hausgemachten Problemen besser gewachsen sind.
Einige Bäume trotzen dennoch seit über hundert Jahren allen Widrigkeiten und sind als Naturdenkmal gekennzeichnet. In unserem Kiez sind das zum Beispiel eine Stieleiche an der Morgensternstraße 14-15 und der Bahnhofstraße 6A sowie drei Winterlinden in Alt-Lankwitz 53-57. Daneben gibt es Orte, die auch ohne Kennzeichnung besonders alte Bäume aufweisen, wenn man bei denen einmal den Stammumfang und die Baumkronen betrachtet. So entlang des Teltowkanals an der Eduard-Spranger-Promenade oder eine Silberlinde neben der Turnhalle der Willi-Graf-Schule. Eine riesige 100 jährige Blutbuche auf einem Grundstück in der Kurfürstenstraße hat es zur Berühmtheit geschafft, weil ein Investor sie für den Bau einer Stadtvilla fällen will und die Anwohner für ihren Erhalt kämpfen.
Den Blickwinkel ändern
Aber auch in kleinräumigeren Naturbereichen scheiden sich die Geister daran, was erhaltenswert ist und was „stört“. Hier hilft es, einmal den Blickwinkel zu verändern. Aus Sicht der Insekten, Käfer und Vögel sind zum Beispiel Laubhaufen, Baumstümpfe und Totholz wichtige Rückzugsorte, Speisetafeln oder Nistmöglichkeiten. Der Erhalt der Artenvielfalt ist für das Gleichgewicht der Natur von großer Bedeutung, auch um Schädlingen und inversiven Pflanzenarten nachhaltig entgegenzutreten. Dabei haben wir zwischen Lichterfelde und Lankwitz in Form eines fast geschlossenen, etwa fünfzehn Kilometer langen Grüngürtels sogar einen wirkungsvollen Helfer als Biotopverbindung. Unter Kennern existiert der Begriff der „Big Five“, die berlinweit leben und gerne diese Wege nutzen: Waschbär, Marder, Kaninchen, Wildschwein und Fuchs. Die Anzahl unterschiedlicher Lebensräume in dieser Stadt sorgt für eine größere Biodiversität als im ländlichen Bereich, wo die Natur mit Monokulturen und Ackergiften beeinflusst wird.
Hält man einmal inne und lauscht den Geräuschen der Natur, hört man gerade im Frühjahr eine Vielzahl von unterschiedlichen Vogelstimmen: Spatz, Kohlmeise, Amsel, Star und Blaumeise sind am häufigsten zu hören. Ab und zu vernimmt man das hohe Pfeifen einiger Bussard-Pärchen am Himmel, im Turm der Mata Dolorosa Kirche nistet ein Turmfalkenpaar. Der Bestand an Amseln ist aufgrund des Usutu-Virus in den letzten Jahren leider stark zurück gegangen und die Nachtigallen, die auf zugewucherten Grundstücken letztes Jahr noch sangen, sind mit deren Bebauung nicht wiedergekehrt. Mit dem Projekt „Blühflächen im Gemeindepark Lankwitz“ wollen Kathrin und Nicolas Bramke in Zusammenarbeit mit vielen freiwilligen Helfern artenarme Rasemflächen in blühende Wiesen verwandeln, um dem Schwinden von Nahrungsquellen und Lebensräumen für Wildbienen und andere Bestäuber entgegenzuwirken. Dazu wurde eine besondere, den Bedürfnissen der Berliner Region angepasste Saatmischung entwickelt und auf eine ca. 2000m² große Fläche im Gemeindepark Lankwitz ausgesät. Ein großartiger Ansatz, den man mit guter Vorbereitung auf viele wenig genutzte, monotonen Rasenflächen in Parks und Innenhöfen ausweiten könnte, um auch das Summen der Insekten wieder deutlicher zu hören.
Immerhin versucht sich Berlin mit dem Stadtentwicklungsplan Klima (StEP Klima) bereits seit einigen Jahren den zu erwartenden Einflüssen des Klimawandels auf die Stadt einzustellen. Spezielle Vorgaben bei öffentlich geförderten Neubauten, legen neue Standards zur Dachbegrünung, zur Beschränkung der versiegelten Flächen sowie für eine intelligente Abwasserlösung fest. An anderen Stellen muss die verantwortungsvolle Verknüpfung von notwendigem Städtebau und Natur erst noch bewiesen werden. Auf der annähernd 100 Hektar großen Weidelandschaft Lichterfelde an der Osdorfer Straße, die einst den amerikanischen Streitkräften als Übungsgelände dienten, ist zum Beispiel in den letzten 20 Jahren aus einer Brache eine einzigartige Landschaft mit Wiesen, Biotopen und Freiflächen entstanden. Hier hat sich aus einer Kombination von Mensch, Pferd und Natur gezeigt, wie sich mit sanft lenkenden Eingriffen eine Landschaftspflege betreiben lässt, die mit natürlichen Mitteln eine enorme Artenvielfalt entstehen und behalten lässt. Anne Loba von der Reitgemeinschaft Holderhof ist dafür mit dem Ehrenpreis der Stiftung Naturschutz Berlin ausgezeichnet worden. Es ist zu hoffen, dass die Teilbebauung mit 2500 Wohneinheiten der Groth Gruppe in größtmöglichem Einvernehmen mit der Natur realisiert wird.
In einem langen Gespräch mit der Stadtnaturführerin Dipl. Ing. Astrid Höfer habe ich Einblick und ein wenig mehr Verständnis dafür bekommen, welche Probleme und Anforderungen im Umgang mit unserer Stadtnatur zu bewältigen sind, aber auch mit welchen Lösungsansätzen an vielen Stellen bereits gearbeitet wird. Stadtnaturführungen zu erleben können für jeden ein erster Schritt zur Auseinandersetzung und Begeisterung sein. (www.stadtnaturgarten.berlin oder www.stadtnaturführungen.berlin
Hier noch einige gut gemeinte Tipps, mit denen jeder von uns ein Stück Verantwortung gegenüber Klima und Natur zeigen kann: kurze Wege zu Fuß oder mit dem Rad zurücklegen; private Rasenflächen stufenweise mähen, damit immer blühende Pflanzen für die Insekten bleiben; Laubhaufen, Totholz oder Gestrüpp als Rückzugsorte für Tiere und Insekten tolerieren, beim Parken auf die Wurzeln der Bäume achten, Lichtverschmutzung vermeiden. Und vor allen Dingen: den Kindern die Achtung vor Natur vermitteln und ihre Neugierde daran mit Spiel und Spaß unterstützen.
Text Jutta Goedicke, Fotos Jutta Goedicke, Astrid Höfer, Sibylle Manthey