Lebensabend im Ballsaal –
Lona Jakob
Was würde man sich wohl lieber für seinen Lebensabend wünschen: ein ruhiges Plätzchen im Seniorenheim oder ein selbstbestimmtes Leben mit einem regelmäßigen, sonntäglichen Ausflug zum Tanztee in Clärchens Ballhaus. Lona Jakob, aus der Lorenzstraße, ist dankbar für ihr Schicksal, das es ihr erlaubt, im hohen Alter von 93 Jahren noch so viel Freude am Leben zu haben. Fast jeden Sonntag gilt es sich schön zu machen, für die Fahrt mit der S-Bahn, nach Mitte, in Berlins ältesten Ballsaal.
Man sieht es ihr an, dass sie schon immer Wert auf ihr Äußeres gelegt hat. Das ist eine Lebenseinstellung und eine Frage der Disziplin wenn sie von ihrer kleinen Rente regelmäßig zum Friseur geht, sich ihre Nägel lackieren lässt oder mit Bedacht ihre Kleidung aussucht. Da ist nichts Schrilles, nichts krampfhaft Jugendliches an Ihr mit dem sie auffallen will, sondern eine trotzige Entschlossenheit, sich noch einmal diese „Freiheit“ vom Leben zu nehmen.
1922 in Berlin Neukölln geboren, wuchs sie in bescheidenen Verhältnissen auf und wurde bei der Hochzeit ihrer Tante entdeckt, als sie gedankenverloren im Kirchengang tanzte. Obwohl die Familie kaum Geld hatte, ermöglichte man ihr eine Ausbildung als Ballett-Tänzerin. Lona machte ihre Leidenschaft zum Beruf und wurde Mitglied in verschiedenen Tanz-Gruppen. Auftritte in der „Neuen Welt“ an der Hasenheide oder im „Schauspielhaus am Nollendorfplatz“ als Revuegirl folgten. 1936 durfte sie in der Paul-Lincke-Operette ,Frau Luna’ im Admiralspalast, zusammen mit Johannes Heesters, auf der Bühne stehen.
Ihren Mann Willi lernte sie in Clärchens Ballhaus kennen
Der Zweite Weltkrieg beendete ihre Karriere. 1949 lernte sie ihren Mann Willi in Clärchens Ballhaus kennen, heiratete und bekamen eine Tochter. Mit dem Tanzen war es jetzt vorbei. Erst 30 Jahre später fand sie als „Revuegirl“ in einer Seniorentanzgruppe wieder den Weg auf die Bühne und machte im Alter von 87 Jahren noch einen Tanzkurs für Standard/Latein, als sie ihren jetzigen Tanzpartner und Nachbarn Martin Martinek traf.
Ja, und das ist der Herr mit den lockigen weißen Haaren, den man sonntags in Begleitung der alten Dame sieht, wenn sie in die S-Bahn steigen, um zu „Clärchen“ zu fahren.
Fragt man Lona Jakob nach ihrem Leben, so antwortet sie mit einem kleinem Lächeln und einem Tonfall in der Stimme, der fast nach einer Entschuldigung klingt: „Ich wollte eigentlich immer nur Tanzen“.
Lona Jakob ist am … 2016 verstorben und wurde auf dem Luther-Friedhof in der Maltesterstr. 113-123, in Berlin Lankwitz beerdigt. Wir denken gerne an sie als liebenswerte, positive und immer adrett gekleidete Persönlichkeit zurück.
Text Jutta Goedicke, Fotos Philipp Bernstorf