Lankwitz und Lichterfelde IM WANDEL DER ZEIT –
In der letzten Ausgabe des Kiezmagazins haben wir uns bereits mit Stadtansichten beschäftigt, die sich im Laufe der Jahre verändert haben oder die inzwischen ganz verschwunden sind. Dabei zeigte der Blick auf Lichterfelde Ost, dass sich in der gewachsenen Struktur des Ortes in den letzten 100 Jahren gar nicht so viel geändert hat. Der Charakter des Villenvorortes ist, abgesehen von einigen Fehlgriffen, wie dem LIO, ziemlich gut erhalten, wir haben noch eine hohe Einzelhandelsdichte und viel Grün um uns herum. Schaut man dagegen nach Lankwitz, so ist von der einstigen Gartenstadt, von der alten Bausubstanz und von der alten Einzelhandelsstruktur kaum noch etwas erhalten.
Das Schicksal war ungerecht zu dem Ort, dessen Geschichte so viel älter ist als die seines neuen Nachbarn. Urkunden belegen, dass Lonkowica 1239 an das Benediktinerinnenkloster St. Marien zu Spandau übereignet wurde, und Lankwitz damit ältestes Dorf Berlins ist. Rund 650 Jahre bildete der Anger und die alte Feldsteinkirche das dörfliche Zentrum von Lankwitz. Mit dem Bau der Anhalter Bahn, der Entstehung der Villenkolonie Lichterfelde und dem Zuzug vieler Menschen begann man in der Gründerzeit nach 1871 auch in Lankwitz mit der Errichtung von Siedlungen. Erst das Rosenthalsche Villenterrain (Komponistenviertel), das Zietemannsche Viertel („Klamottenviertel“ östlich der Kurfürstenstraße) und das Thüringer Viertel (bis zur Grenze zu Marienfelde). Als 1895 Lankwitz endlich eine eigene Bahnstation bekam und 1906 die Dreifaltigkeitskirche (Lankwitz Kirche) bebaut wurde, verlagerte sich das Zentrum des Bezirkes nach und nach hierher. 1911 folgte das Rathaus, 1913-14 der Bernkastler Platz und das freistehende Parkschlösschen (heute Käseglocke), das dem „Entrée“ von Lankwitz einen Rahmen geben sollte. Dass sich das Bild von Lankwitz heute so gravierend geändert hat ist auf die Bombennacht vom 23. auf den 24. August 1943 zurückzuführen. Lankwitz wurde in dieser Nacht zu 85 Prozent zerstört.
Für das aufstrebende Lankwitz war die alte Dorfkirche nach der Jahrhundertwende längst zu klein geworden. 1904 begann man inmitten von Feldern mit dem Bau der Dreifaltigkeitskirche nach den Plänen des Architekten Ludwig von Tiedemann im Stil der märkischen Backsteingotik. In der Lankwitzer Bombennacht wurden die Dreifaltigkeitskirche und das Gemeindehaus stark beschädigt. Die fehlende Turmspitze wurde erst 1964 wieder rekonstruiert.
Lankwitz und das tragische Versehen der Royal Airforce
In den nach 50 Jahren freigegebenen Kriegstagebüchern der Royal Airforce findet sich die Erklärung, warum Lankwitz im August 1943 von diesem verheerenden Flächenbombardement heimgesucht wurde: Es war eine Verkettung von Umständen, die das „Vorausflugzeug“ der RAF anhand seines Infrarotradargerätes annehmen ließ, sich über dem Zielgebiet, dem Regierungsviertel an der Wilhelmstraße, zu befinden. Bei dem zweieinhalb Stunden dauernden Bombenangriff starben Hunderte Menschen, viele wurden verletzt. Eine Entwarnung gab es damals nicht – die Sirenen waren zerstört.
Einen ausführlichen Bericht dazu hat Wolfgang Friese in Band V seiner Broschüre über „Lankwitz und seine Geschichte“ geschrieben. Man bekommt diese und die vier vorangegangenen Veröffentlichungen für je 1,50 € im Heimatmuseum Steglitz.
Anfang der 50er Jahre wurde mit den begrenzten Mitteln dieser Zeit das alte Zentrum um Leonoren- und Kaiser-Wilhelm-Straße neu gestaltet. Aus Stahl, Beton und Glas, mit Flachdächern und großen Fensterfronten wurden die charakteristischen Häuser zum Sinnbild der Nachkriegsmoderne.
Text Jutta Goedicke | Bilder und Collagen Philipp Bernstorf | historische Bilder: Archiv Wolfgang Holtz und Wolfgang Friese